Während meines zweiwöchigen Aufenthaltes in Ushuaia nutze ich die Gelegenheit und erkunde die Gegend auf eigene Faust. An den wenigen stabilen Schönwettertagen führe ich Tagestouren durch und entdecke zwei wunderschöne Gebiete um Ushuaia. Mein erster Ausflug ist die Wanderung zur abgelegenen Laguna Esmeralda (Smaragd-Lagune), der zweite Tagesausflug ist die Besteigung der Berge Cerro del Medio und Cerro Roy. Beide Wanderungen sind ebenfalls im Buch „Rother Wanderführer – Patagonien und Feuerland“ (Auflage 2016) mit enthalten, was ich auf meiner Reise durch Patagonien mit dabei habe. In den folgenden Absätzen beschreibe ich meine Ausflüge zu diesen beiden wunderschönen Orten.
Am dritten Tag in Ushuaia entscheide ich mich spontan die Laguna Esmeralda zu besuchen. Das Wetter ist sehr schön und stabil. Im Hostel „La Posta“ organisiere ich einen Transport, der mich zum Ausgangspunkt der Wanderung bringt und mich wieder zurück zum Hostel schafft. Bis zur Abholung packe ich meinen Tagesrucksack inklusive warmer Kleidung und Verpflegung zusammen. Gegen 11:30 Uhr werde ich in der Unterkunft abgeholt und mit einem anderen Reisenden zum Startpunkt der Wanderung gebracht. Die Fahrt dahin dauert nur eine knappe halbe Stunde. Mit dem Fahrer John kann ich die Zeit der Rückfahrt verhandeln. Er wollte mich schon um 15:30 Uhr wieder zurückschaffen, ich aber handle bis 17 Uhr heraus. Das wäre sonst viel zu kurz für mich. Ich hasse es, von anderen Personen immer abhängig zu sein. An einer Husky-Ranch beginnt schließlich die Wanderung zur Mittagszeit. Erste kleine Orientierungsschwierigkeiten werden schnell überwunden und nun kommt endlich meine Kamera wieder zum Einsatz. Der Wanderpfad führt über marode Holzbrücken sowie durch alte Wälder und schöne Wiesenlandschaften hindurch. Der viele Regen der letzten Tage lässt die Wanderung zu einem schönen schlammigen Abenteuer werden. Wanderhose und Trekkingschuhe sind schon nach den ersten Kilometern eingesaut. Zahlreiche Sümpfe und Flüsse mit riesigen Biberdämmen durchziehen die Landschaft. An den Bäumen und Steinen wachsen nicht nur viele verschiedene Flechten und Moose, es sind auch Spuren von Bibern zu erkennen. Da gleichen einige Waldgebiete einem Kahlschlag vom Menschen, so sehr haben die Biber hier gewütet. Je weiter ich den Pfad bergauf Richtung alpines Gebiet wandere, desto schlammiger, sumpfiger und unberechenbarer wird der Weg. Von einem typischen Wanderweg kann keine Rede mehr sein. Außerdem besuchen sehr viele Menschen diese Gegend, sodass es nicht gerade ruhig zugeht. Nach fast 2 Stunden erreiche ich um 14 Uhr den Bergsee „Laguna Esmeralda“. Inmitten der Berglandschaft liegt dieser kleine See, an deren Ufer ich eine Vesperpause einlege. Das Wetter spielt mit und so entschließe ich mich, den kleinen See zu umrunden. Das Wasser ist sehr klar und um den kleinen See hat sich eine bemerkenswerte Flora und Fauna angesiedelt. Neben felsigen Wiesen- und Waldhängen über Sumpftümpel bis hin zu abgestorbenen Waldflächen bietet die Kulisse reichlich Gelegenheit für wunderschöne Fotomotive. Jetzt treffe ich auf keine Menschen mehr und entdecke Andengänse mit Nachwuchs, viele Fische und zahlreiche Insekten. Die Umrundung der Laguna Esmeralda war anstrengender als gedacht, ich habe über eine Stunde dafür benötigt, oft im wilden Gebiet ohne Markierungen. Gegen Nachmittag schlägt das Wetter um und wird wechselhaft. Von Sonne, Wind und Regen bis hin zu Hagel ist auf dem Rückweg alles dabei. Die Aussicht auf die Berge wird immer schlechter und so langsam setzt der Dauerregen ein. Die Temperaturen gehen auf ungefähr 5 bis 7 Grad zurück, pfui. Um 16:45 Uhr erreiche ich schließlich den Ausgangspunkt der Wanderung an der Straße wieder und entdecke meinen Fahrer John. An einem kleinen Fluss säubere ich Hose und Schuhe. Es dauert nicht alle und es setzt das richtig schlechte Wetter ein, starker Regen mit Wind. Das ist ja wie im üblichen grauen November in Deutschland. Gegen frühen Abend komme ich wohlbehalten dank meinem Fahrer im Hostel wieder an. Die Laguna Esmeralda ist ein Besuch wert, es ist ein wunderschöner abwechslungsreicher Wanderweg, dem ich allerdings viel früher am Tage besuchen würde. Wer kann, sollte die Wanderung schon am frühen Morgen zu dem Bergsee beginnen.
In den letzten Tagen in Ushuaia wird das Wetter besser und schenkt mir die Gelegenheit, einen langen Tagesausflug zum Cerro del Medio und Cerro Roy zu unternehmen. Mein Ziel ist es wenigstens den Cerro del Medio zu besteigen, an deren Stelle die kleine Laguna Margot zu finden ist. Einen Tag vor der Wanderung packe ich alle Sachen in den Rucksack und bereite meine Vesper vor. Neben ausreichender Verpflegung ist warme Kleidung gegen Wind und Regen sowie ordentliche Trekkingschuhe unerlässlich. Von meinem nächsten Hostel, dem „Cruz del Sur“, starte ich schließlich früh um 6:20 Uhr die Wanderung direkt zum kleinen Berg hinauf. Ich folge der Straße „Lassere“ den Hang hinauf, die ein Stück durch grüne Wiesen mit kleinen Wohnhäusern unterbrochen wird und komme einige Zeit später am großen Hotel Ushuaia heraus. Links vom Hotel zweigt eine Nebenstraße ab, die weiter den Hang hinaufführt. Nur wenige hunderte Meter weitere entdecke ich ein Schild mit der Aufschrift Cerro del Medio. Den Ausgangspunkt der Wanderung zu finden war gar nicht so einfach gewesen, trotz der ausführlichen Wegbeschreibung meines „Rother Wanderführers“. Bei wunderschönem sonnigen Wetter und angenehmen Temperaturen verlasse ich endgültig die Stadt und begebe mich in die patagonischen Wälder. In der Früh ist einfach die beste Zeit durch den Wald zu wandern und all die Eindrücke und vor allem die Stille zu genießen. Ich treffe keinen Menschen auf dem Weg, da sich die meisten Touristen zum Martial Gletscher begeben. Nach anderthalb Stunden durch den dichten Wald stoße ich auf die Baumgrenze und entdecke die umliegenden Berge sowie den „kleinen“ Cerro del Medio. Der Pfad ist seit Verlassen der Stadt recht übersichtlich, gut markiert und nicht sehr steil. Das feuchte Wetter der letzten Tage machen dafür den Pfad sehr schlammig und rutschig. Viele umgeknickte Bäume auf dem Weg kosten einige Zeit und Kraft. Nach der Baumgrenze führt der Wanderweg ausschließlich über Felsen und an großen moosbedeckten Steinen vorbei, es ist ein komplett anderes Ökosystem. Das Wetter bleibt schön mit einem Wechsel aus Sonne und Wolken. Je näher ich dem Cerro del Medio komme und je höher es geht, desto stärker wird der Wind. Als Erster erreiche ich nach 2,5 Stunden um 9 Uhr den Cerro del Medio mit der Laguna Margot. Das Wetter wird launischer und ein paar kurze Regenschauer ziehen vorüber. Jetzt ziehe ich mich warm an und lege eine Pause am Gipfel ein. Der 180 Grad Blick auf Ushuaia mit den zahlreichen Inseln und dem Beagle-Kanal ist unglaublich. Meine Kameraausrüstung wird aufgebaut und los geht es mit fotografieren. Nach einiger Zeit überlege ich mir, ob der Cerro Roy zu besteigen geht. Denn auf der einen Seite ist der grandiose Blick auf dem Beagle-Kanal, auf der anderen Seite dagegen noch höhere fast unüberwindbare Berggipfel. Die Beschreibung im „Rother Wanderführer“ ist irreführend und an vielen Stellen nicht nachvollziehbar. Ich finde weder einen markierten Pfad noch ein Schild, was den Weg zum Gipfel beschreibt. Deshalb lasse ich mir Zeit, studiere einen möglichen Weg hinauf und beobachte die Wetterlage. Um 10 Uhr entschließe ich mich, eine direkten steilen „Weg“ zum Gipfel hinauf zu wagen. Dieser Teil hat jetzt nichts mehr mit Wandern zu tun, es gleicht einem Kletterparcour über rutschigen und wackeligen Gestein. Dank meiner robusten Wanderschuhe, der Kondition und meiner Entschlossenheit ist es möglich, diese Herausforderung zu meistern. Die Laguna Margot mit einem kleinen Joch dient als Orientierung in der für den Menschen so lebensfeindlichen Gegend. Mit beiden Händen überwinde ich einige gefährliche Passagen und gewinne schnell an Höhe. Es ist schon erstaunlich wie schnell der Mensch gewisse Hindernisse überwinden und Distanzen zurücklegen kann. Auf dem Weg hinauf finde ich einen Holzstock, der mich bei der Wanderung bergauf gut unterstützt. Ziemlich geschafft aber in guter Verfassung erreiche ich die andere Seite des Berges und werde von einem atemberaubenden Bergpanorama auf die Anden belohnt. Es sind große schmale und lang gezogene Täler mit vielen Wäldern und Flüssen. An deren Ursprung ragen zahlreichen steile Bergketten hinauf, wo viel Schnee liegt und einige Gletscher zu sehen sind. Der Blick auf diese Landschaft ist nicht ungefährlich, da der Wind in starken unvorhersehbaren Schüben wie in Form von Wellen über mich hereinbricht. Es ist eine sehr raue und gefährliche Gegend. Das Fotografieren wird zur echten Herausforderung, viel Geduld und das richtige Timing sind gefragt. Mit Stativ warte ich die kurzen windstillen Momente ab und bekomme ein paar schöne Aufnahmen von mir und der einzigartigen Kulisse auf ein Foto gebannt. Neben vielen weiteren Landschaftsbildern lege ich am Berg eine große Vesperpause, geschützt an einem Felsvorsprung ein. Wenigstens spielt das Wetter heute mit und schenkt mir einen freien Blick auf die umliegende Landschaft. Zur Mittagszeit wird das Wetter am schönsten. Strahlend blauer Himmel mit einigen Schleierwolken lassen sogar einen Feuerregenbogen am Himmel erscheinen. Um 13:30 Uhr trete ich den Rückweg an und laufe langsam und konzentriert zur Laguna Margot hinunter. An dem kleinen Bergsee finde ich schließlich den Wanderweg wieder und begebe mich ein letztes Mal zum Cerro del Medio. Hier entstehen weitere schöne Aufnahmen, denn das Wetter bleibt traumhaft. Eine letzte kleine Vesperpause wird am Gipfel eingelegt, bevor ich gegen Nachmittag den Abstieg zum Hostel antrete. Auf dem Cerro del Medio treffe ich heute nur etwa 4 Personen und wenige Wanderer, die mir beim Abstieg entgegenkommen. Für den Rückweg in die Stadt Ushuaia habe ich vom Berg nur eine Stunde benötigt. Im Hostel „Cruz del Sur“ angekommen, schnappe ich mir alle Sachen, nehme mir ein Taxi und lasse mich zum Hostel „La Posta“ fahren. Aufgrund der Hochsaison muss ich ein letztes Mal das Hostel wechseln, bevor schließlich meine Weiterreise nach Puerto Natales geht. Es war eine wunderschöne aber auch herausfordernde Tageswanderung für mich gewesen.
Im nächsten Beitrag berichte ich über meinen Besuch im Nationalpark Tierra del Fuego. Als willkommene Abwechslung der sonst überfüllten Hostels in Ushuaia, nutze ich die Gelegenheit und schlage mein Zelt im Nationalpark für 3 Tage auf.
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